Dem Gedanken, wie ich mein neues Zimmer gestalten sollte, widmete ich schon einen Eintrag. Dass ich aber auch mit dem Gedanken spielte, es rosa zu streichen, habe ich nur leise geäußert. Nach dem spanischen Winter konnte ich mir wirklich nicht mehr vorstellen, in einem weißen Zimmer zu leben. Zu groß war das Bedürfnis nach ein wenig Wärme im Innenraum, als draußen noch der Schnee lag.
Eifrig Malerweiß gekauft und mit roter Restfarbe gemischt, und schließlich hatten wir den Farbton, den die Stirnwand meines Zimmers zukünftig tragen sollte. Zweifel hatte ich schon: Bin ich nicht schon zu alt für sowas? Wirkt das nicht zu niedlich? Schließlich ließ ich meine letzte modische Rosa-Lila-Phase im Alter von fünf Jahren hinter mir und ich bin auch definitiv nicht das Cherry Blossom Girl.
Welchen Eindruck macht die Wand auf Besucher, die mich nicht so gut kennen? Sie ist wohl das, was in meinem neuen Zuhause für den ersten Small Talk sorgt: Neben Vergleichen mit Erdbeerjoghurt und Himbeereis wird sie meistens als mädchenhaft bezeichnet.
Neben Grün die Farbe des Frühlings und des Neuanfangs
Ich mag die Farbe, weil sich das pastellige Rosa im Laufe des Tages sehr verändert, am Morgen, von der aufgehenden Sonne beleuchtet, sehr blass und unauffällig wirkt, im künstlichen Licht umso kräftiger. Rosa wirkt auf mich angenehm beruhigend, außerdem hatte ich mir doch so sehr eine warme Farbe gewünscht – bessere Alternativen im Farbspektrum gab es da erstmal nicht: Ich konnte mir jedenfalls nicht vorstellen, meine Wand in Gelb, Rot oder gar Orange zu streichen.
Laut Eva Hellers Umfrage in dem Gestalter-Klassiker „Wie Farben wirken“ werden dem Rosa vor allem die Attribute des Weiblichen, Zarten, Kleinem und Süßem zugeschrieben. Zudem steht es als Sinnbild für die Sanftheit, Romantik, Naivität, Zärtlichkeit und das Liebliche. Das hört sich nach einer ziemlich ungefährlichen Farbe an. Und ein bisschen nach Badezusatz und Marzipanschwein.
Innenschiff der Leipziger Nikolaikirche
Interessanter die Bedeutungsveränderung des Rosas: Im Rokoko trugen sowohl die männlichen als auch weiblichen Vertreter der pastelltonliebenden, adeligen Gesellschaft Rosa (selbiges galt auch für Hellblau). Als „kleines Rot“ stellte es jedoch die Verniedlichung des männlichen, mächtigen Rots dar, und so wurden neugeborene Jungen rosa gekleidet. Hellblau galt als die christliche Mädchenfarbe, die Ableitung des Marienblaus. Heller zieht als Beispiel ein Gemälde von Franz Xavier Winterhalter heran, auf dem Königin Victoria mit Prinz Arthur zu sehen ist– der Säugling mit rosa Schleife. Merkwürdig ist, dass Victorias Enkelin Charlotte auf einem anderem Gemälde Winterthalers ebenfalls rosa Kopfbedeckung und Schleifen trägt. Sehr schnell lassen sich auch weitere Gemälde finden, auf denen adelige Mädchen Rosa und Jungen Blau tragen. So weit verbreitet scheint die Sitte damals nicht gewesen zu sein.
Links: Königin Victoria mit Prinz Arthur; Rechts: Kronprinzessin Victoria von Preußen mit Prinzessin Charlotte – Bilder von Wikimedia
Rosa als Mädchenfarbe etablierte sich aber erst fest in den Zwanzigern. Blau verlor seinen christlichen Bezug, waren doch nun blaue Arbeitsanzüge omnipräsent. Farbige, kochfeste Kinderkleidung ließ sich nun giftfrei herstellen und das machte es problemlos möglich, Kinder statt in Weiß komplett farbig einzukleiden. Folglich erhielten die Jungen die verniedlichte Farbe der Arbeitswelt, Mädchen wurde das liebliche, sanfte Rosa zugeschrieben.
Kommen wir zur der Buchverfilmung mit dem meisten Marketingaufwand des bisherigen Jahres: Obwohl die Kindermode der zwanziger Jahre nun an Farbigkeit gewann, wurde diese in der Herrenmode umso mehr verpönt. Vielleicht erklärt das, warum Erzähler Nick Carraway in F. Scott Fitzgeralds Zwanzigerroman „Der große Gatsby“ immer wieder ein großes Augenmerk auf den rosa Anzug legt, den Titelgeber Jay Gatsby trägt– es war für einen Mann der damaligen Zeit wieder extravagant, sich in Pastelltöne zu kleiden.
The Great Gatsby (1974): Der rosa Anzug
Aber Hand aufs Herz: Wäre das heute nicht immer noch bei jedem feierlichen Anlass aufsehenserregend? Klar, ein Kanye West sieht in rosa Anzugsjacke verdammt elegant aus, aber der feiert auch mit Regelmäßigkeit ähnlich rauschende Feste wie Gatsby. Rosa Anzüge sind immer noch mutigen Trägern vorbehalten, Lebemännern und Genießern. Gesellschaftlich hat sich die Rezeption des Rosas in den letzten 90 Jahren jedenfalls wenig geändert, und es ist fraglich, ob Leonardo DiCaprio dagegen etwas ausrichten kann.