Das Einzige, was man über „The Edge of Love“ von 2008 wissen muss: Er ist wahnsinnig schön anzusehen. Den ganzen Film hindurch hat man das Gefühl, eine Einrichtungszeitschrift durchzublättern, in dem Models in historischen Kostümen in weichen Betten herumliegen und verträumt in die Gegend starren. Sienna Miller und Keira Knightley mimen arme Ehefrauen im Zweiten Weltkrieg, während sie reihenweise die wohl schönsten Strickjacken und -pullover der britischen Filmgeschichte auftragen.Weiterlesen
Ein Geschenk von Keith Haring
Ich hab jetzt schon wieder die Nase voll von überfüllten Einkaufszentren und Geschenkelisten im Internet und in Magazinen, die mir sagen sollen, dass ich meinen Liebsten vergoldete Eierbecher oder Luxus-Duftkerzen zu Weihnachten schenken soll. Noch sage ich: Bevor ich mal Duftkerzen verschenke, verschenke ich eher Freikarten für die Autobahntoilette (die Idee gehört allerdings nicht mir, sondern Helge Schneider).
Bilder von Amazon
Was mir heute allerdings eine kleine Träne ins Auge trieb, irgendwo auf einem überfüllten Weihnachtsmarkt: Keith Harings Buch „Ninas Buch der kleinen Dinge“. Der Künstler Haring gestaltete es 1988, um es der siebenjährigen Nina Clemente zum Geburtstag zu schenken. Es war ein Buch, in dem sie frei zeichnen, kleben und ausprobieren sollte. Aus dem Kind aus der Künstlerszene New York Citys ist mittlerweile eine Edel-Köchin mit Anthropologie-Abschluss geworden, Haring hat unsere Welt im Jahre 1990 verlassen, lange bevor Keri Smith ganz ähnliche, aber ebenso wunderschöne Scrapbücher auf den Markt warf.
Wann ich zum ersten Mal einen Haring sah, kann ich nicht mehr sagen, als Kind der 90er hatte ich das Gefühl, er – oder sein Erbe – war in meiner Kindheit allgegenwärtig. Wirre Linien, leuchtende Babys und comicartige Gemälde passten auch immer noch ein Jahrzehnt nach seinem Tod in die leicht geschmacksverwirrte, quietschbunte Zeit der Plateauschuhe und Love-Parade-Techno. Schätzen lernte ich ihn aber erst 20 Jahre später, in einer Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, wo man seinen legendären Pop Shop rekonstruiert hatte. Ich war fasziniert, denn erst jetzt verstand ich: Sein Laden, in dem er Merchandise wie T-Shirts und Buttons mit eigenen Motiven verkaufte, lag irgendwo zwischen Beuys und Warhol, zwischen Konsum, Kommerz und „Kunst für alle“ und verkörpert einen Geist, nach dem man im heutigen Kunst-Mainstream nur noch sucht.
KEITH HARING, THE MESSAGE – version intégrale von ARTECreative
Die obige arte-Dokumentation ist wohl eine der besten, die über den Workaholic Haring produziert wurden. Sie hält sich nicht mit nostalgischen Kindheitserinnerungen des Künstlers auf, sondern gibt gleich Einblick in die Zeit und die Stadt, die Haring am meisten geprägt haben: Das New York der 80er, mit all seinen Ängsten (nukleare Katastrophen, rätselhafte Tode durch die noch unentdeckte Krankheit AIDS, an der auch Haring schließlich sterben sollte), Parties und neuen Jugendkulturen (Graffiti, Rap, Breakdance). Mit dabei: Ein Interview mit der erwachsenen Nina Clemente. Sie hat ihr Geschenk 1994 zur Veröffentlichung freigegeben, um es auch anderen Kindern und Erwachsenen an die Hand zu geben. „Ninas Buch der kleinen Dinge“ ist ein Sammelalbum, in welchem die kleine Nina Dinge aufheben sollte, die ihr wichtig waren. Es ist auch noch jetzt, in der Neuauflage, ein zeitloses Skribbel-Album, in dem alles erlaubt ist.
Happy St. Martin
Wenn ich noch eine Sache in Spanien gelernt habe, dann die, wie wenig Feste wir in Deutschland so feiern. Nachdem meine Spanischlehrerinnen eine ganze Tafel mit Festen und Bräuchen gefüllt hatten, weinte ich vor Scham ein wenig in mich hinein. Natürlich liegt das auch an den Temperatur- und Gemütsunterschieden von Norden und Süden, dennoch wünsche ich mir manchmal das ein kleines Fest, gerade auch in den Wintermonaten, in denen man ja meist nur von dem vorweihnachtlichen Supermarkt- und Kaufhausstress begleitet wird. Wenn es ein stilles Fest gibt, das noch nicht komplett von der Kommerzialisierung gefressen wurde und bei dem ich mich immer noch freue, wenn es mir auf der Straße begegnet, dann ist das der Martinsumzug. Ich glaube, es gibt keine bessere Idee, als den sonst so trostlosen und ekligen November mit selbstgemachten Papierlaternen aufzumuntern und danach einen heißen Kakao trinken zu gehen.
imperfecto
Über ein Jahr ist es her, dass ich meine Sachen packte und meinen Wohnsitz temporär in das Land der Orangen verlagerte. Meine Zeit in Spanien war in jeder Hinsicht lehrreich für mich – auch, weil ich mich endlich mit dem Handwerk des Goldschmiedens auseinandersetzte. Eine Mini-Kollektion aus Messing und Silber ist dabei entstanden, die meinen Charakter ein wenig widerspiegelt. Naturverbunden, nicht ganz perfekt und glatt poliert. Dazu: Ein plötzliches Interesse für alle Goldschmiedearbeiten, das im Moment aber ruhen muss, weil vor allem eine Werkstatt und das passende Werkzeug fehlen.
Also: Wenn jemand noch eine Goldschmiedewerkstatt in Braunschweig kennt, die einen Praktikanten für den Frühling 2014 gebrauchen kann: Ich würde mich freuen.
Baskenland, Zwischenland
Eine fast vergessene Erinnerung, die mit einer ebenso vergessenen Filmrolle zurückkam:
Nach meinem Besuch in Bilbao war klar: Ich kann Spanien nicht verlassen, ohne nochmal ins Baskenland zu reisen. Und so fuhr ich in meinen letzten Tagen nochmal in den Norden, um erschöpft auf einem Felsen am Atlantik zu stehen und dieses Gefühl einzuatmen, dass das Baskenland für mich ausstrahlt: So ein Hauch aus Zuhause und grenzenloser Wildheit. Der Atlantik ist laut, er brüllt geradezu – was für ein Unterschied zu seiner warmen Schwester, dem Mittelmeer! Zum ersten Mal seit Monaten sah ich Rotkehlchen und Gänseblümchen, Tiere und Pflanzen, die ich von Zuhause gewöhnt war, vergessen war die dagegen exotische Flora und Fauna Valencias. In diesem seltsamen Zwischenland mit der sehr eigenen Kultur und so uneuropäisch klingenden Sprache hab ich mich bis heute verloren, es ist ein Ort, an den ich wieder und wieder zurückkehren möchte.
Bye bye, puberty
Nahezu jede Ausgabe des letzten Monats aller großen Musikzeitschriften waren geprägt davon, der Musikexpress titelte mit „Die Klasse von 2005 meldet sich zurück“: Franz Ferdinand, die Arctic Monkeys und die Babyshambles liefern alle neue Alben, was ja wirklich Assoziationen an ein Indie-Klassentreffen hervorruft. In der Süddeutschen las ich dann diesen Satz, der ein kleines bisschen von meinem Herz mitnahm:
Gut zehn Jahre ist das jetzt her – für die Fans, die seinerzeit die Welle getragen haben, eine verklärte Teenie-Erinnerung.
Weil sie damit so Recht hat: Verklärte Erinnerungen an pubertären Schul-, Eltern-, Freundschafts-, Liebesfrust, den man anschließend in irgendeinem schäbigen Rockschuppen mit seinem Lieblingslied von Franz Ferdinand, den Babyshambles, Bloc Party, den Libertines, den Wombats, Kaiser Chiefs, Hives oder Strokes wegtanzte, vielleicht aber auch nur allein in seinem Kinderzimmer, das immer noch diesen hässlichen Fußboden hatte, auf dem man schon als Kleinkind rumkrabbelte.
Einen Monat zuvor, hatte ich, in der Nacht meines Geburtstages, erfahren, dass meine bis dato Lieblingsband aus Jugendzeiten – die Band, bei der ich das erste Mal erfuhr, wie es sich anhört, ein, oder das perfekte Album anzuhören, die so ziemlich jedes Gefühl meines pubertierenden Körpers in Musik verpackte, die einzige Band, die ich mir als Aufkleber auf mein Fahrrad klebte – wohl nie wieder zusammenkommen wird, um ein Album aufzunehmen und dass ich Auf Wiedersehen sagen muss, obwohl ich sie tatsächlich nie live gesehen habe oder werde.
Im letzten Jahr kam Bloc Partys Four fast pünktlich zum Erscheinungsdatum bei mir an, und ehrlich gesagt, hatte ich da schon angefangen, Auf Wiedersehen zu sagen, denn wirklich kein Lied sprach in irgendeiner Weise zu mir, wie das die Songs der vorherigen Alben getan hatten. Es war das erste Bloc Party-Album, bei dem ich wirklich keinerlei Gefühl spürte. Das Gefühl kam auch nicht mit einem halben oder ganzen Jahr Verspätung an, sondern wurde nur durch den Geschmack von Erwachsenwerden ersetzt. Die Klasse von 2005 wird abgelöst von der nächsten und übernächsten Generation, die mittlerweile auf Auto-Tune-Stimmen und Electrobeats tanzt und vielleicht sind wir auch schon viel zu müde geworden, um überhaupt noch zu tanzen. In ein paar Jahren gibts unsere Jugend dann zusammengestellt zum Nostalgie-Sampler bei iTunes, weil die ramschige CD-Grabbelkiste im Supermarkt bis dahin längst ausgestorben ist.
Bloc Party für ihren Teil liefern noch die Nextwave Sessions ab, die wie ein kleines Adieu daherkommen – und plötzlich ist es wieder da, das Gefühl, das sich einmal durch meinen Körper zieht, irgendwo zwischen Herz und Magen lokalisiert, irgendwo zwischen Aufregung und gebrochenem Herzen.
Haus Tugendhat
Mit Dokumentationen ist das immer so eine Sache. Man sammelt so lange Material, bis die zeitlichen, finanziellen oder inhaltlichen Grenzen erreicht sind. Danach ist man gezwungen, durch den Schnitt eine Struktur festzulegen. Der Dokumentarfilm „Haus Tugendhat“ scheitert leider daran.
Eigentlich gibt der Film vor, die Geschichte eines Hauses zu erzählen. Eines Hauses, das in den zwanziger Jahren im heutigen Tschechien für das jüdische Industriellen-Ehepaar Grete und Fritz Tugendhat erbaut wurde. Eines Hauses, das zur Zeiten der Sowjetunion das einzige Haus in Brünn war, das nicht Grau, sondern Weiß gestrichen war. Das ist aber nicht der Grund für seine Berühmtheit. Das Haus ist heute weltweit bekannt, weil es ein Werk von Bauhaus-Architekt Ludwig Mies van der Rohe ist, es wird sogar zu seinen bedeutesten Werken gezählt.
Wir gleiten durch die Flure der Villa, sehen die Zimmer. Wir treffen die verschiedenen Nachfahren der Tugendhats, die Kinder, die zuerst in dem Haus lebten und danach die Kinder, die nach der Vertreibung der Tugendhats in dem Haus lebten. Und dann verirrt sich die Struktur mit der Familie Tugendhat irgendwo im Exil und in ihrem Venezuela-Aufenthalt. Das Haus rückt immer mehr in den Hintergrund, wir erfahren nicht, welche Beziehung Mies van der Rohe zu dem Haus aufbaute oder in welchem Zusammenhang es mit seinen restlichen Werken steht. (Oder wer Mies van der Rohe überhaupt war und wofür er stand.) Weiterlesen
Wenn wir wieder durchdrehen
Eigentlich wäre ich gerade auf dem Weg auf ein bekanntes, entspanntes Festival. Und dann hörte ich auf mein Herz und entschied mich dagegen. Stattdessen nehme ich an meinem liebsten Selbstfilmfest teil– dieses Jahr nicht als Teil des Organisationsteams, sondern als Teilnehmer. Verstehen tu ich das selbst immer noch nicht.
Weil ich mir so sehr Freibadwetter wünsche: Gewinnerfilme aus dem Jahr 2006: Ein Sommer/Zwei Sommer.
Durchgedreht24 ist ein freundliches Spontanfilmfestival aus Braunschweig. In aller Kürze geht es darum, einen fünfminütigen Kurzfilm mit einer Kamera zu drehen – ohne einen Schnitt. Jetzt kommt langsam Vorfreude auf: In den letzten Jahren habe ich so ziemlich jeden Gewinnerfilm der letzten zehn Jahre gesehen, von Trash-Horror zu Tanzfilmen, Stop-Motion-Filmen oder Fünfminüter, die innerhalb einer Familie gedreht werden. Wir sehen uns!
Durchgedreht24 Selbstfilmfest in Braunschweig: Eröffnung am 28. Juni, um 18.00 auf dem Braunschweiger Altstadtmarkt; Gala am 30. Juni um 20.00 h.