Die Französin zeigt ihre Funktionsjacke nicht der Öffentlichkeit – und spannt stattdessen ihr schwarzes Schirmchen auf.
Aus der Kategorie #laterblog. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass der Stil der Französinnen nicht einer der vielen Gründe war, dort einmal leben zu wollen. Für Möchtegern-Französinnen gibt es ein ganzes Regalbrett voller Ratgeber, die einem näherbringen wollen, wie man sich denn jetzt endlich parisien benehmen und kleiden kann. Viel Mumpitz ist da dabei – das stellte auch die wortgewandte Claire in einem Artikel kürzlich fest – vor allem beziehen sich diese seltsamen Lektüren dabei wirklich ausschließlich auf Pariserinnen. Aber das immer noch ist Paris, und was ist da mit der Provinz, zu der ja in Frankreich eigentlich alles zählt, was nicht Paris ist? Weiterlesen
Die französische Küche war für mich einer von vielen Gründen, mal bei unseren Nachbarn leben zu wollen. Erfreulicherweise hat der französische savoir vivre sehr schnell auf mich abgefärbt: Bald schon rannte ich jeden Samstag mit verklebten Augen und unordentlichen Haaren zur Markthalle, um mich dort mit dem Rest von ganz Dijon um frisches Gemüse, warmes Brot und hausgemachten Ziegenkäse zu kloppen. Ein heimlicher Höhepunkt für mich war der dortige käufliche Erwerb von Gemüsesorten, die ich noch nie zuvor probiert hatte. Ein Resümee.
navet boule d’or: gelbe Rübe
Die goldene Rübe schmeckt – trotz ihres edlen Namens – auch nicht anders als ihre blassrosa Schwester, das Mairübchen, nämlich: Nach irgendwie nicht viel. Kurz angebraten, zu Spitzkohl und mit einem Schuss Limette ist sie aber genauso fantastisch.
scorsonère: Schwarzwurzel
Nachhaltiger als ihr Geschmack (leicht würzig & scharf) war nur ihre Farbe: Während ich meinen Schwarzwurzel-Salat in nur wenigen Minuten verzehrt hatte, dauerte es Stunden, bis meine Hände wieder sauber waren.
topinambour: Topinambur
Das größte Schwierigkeit war hier, dieses knollige Ding überhaupt zu schälen. In dünnen Scheibchen und mit Apfelstückchen und Feldsalat ergab der knackige topinambour aber schließlich einen perfekten Frühlingssalat.
crosne: Knollen-Ziest
Was für Würmer sind das denn?! Als ich meine neueste Eroberung stolz in die Wohnung meiner Mitfreiwilligen trug, stieß die Chinesische Artischocke auf größtes Unverständnis. Als sie dann erstmal gesäubert und angebraten war, war es eine fast kartoffelig-schmeckende Liebe auf den zweiten Blick.
Interessant fand ich bei diesem „Ich-probier-alles“-Experiment vor allem den unterschiedlichen Kenntnisstand der Menschen um mich herum: Während für eine (vegetarisch lebende) Freundin aus Deutschland der Topinambur längst ein alter Hut war, guckte eine Freiwillige mich fragend an, als ich verzückt jubelte über das ihr unbekannte Bio-Gemüse in ihrer Hand (es handelte sich um Mangold). Die Freiwilligen im ökologischen Jahr dagegen, die auf ihren Bio-Bauernhöfen täglich mit frischem Gemüse hantierten, brachten uns vom Land interessant gefärbte Rübchen und Radieschen mit, die wir alle in dieser Form noch nie gesehen (oder probiert) hatten. Ich merkte zunehmend, wie sich mein Geschmack veränderte: Oft stand ich im Supermarkt vor dem, meist importierten, Gemüse und hatte überhaupt keine Lust, irgendetwas davon mitzunehmen, weil alles so glatt und perfekt aussah. Ist mir ein französischer Gaumenschmaus entgangen oder sind das alles keine Neuigkeiten für meine deutschsprachigen, bio-erfahrenen Leser? Ich freue mich über Input.
I have decided
at 25
that something must change – Bloc Party: Kreuzberg
Es sah so aus, als ob der Sommer vorbei war. Ihm sollte es recht sein. Er mochte den Sommer zwar gerne, es war die schönste Jahreszeit in Berlin und er hatte nie verstanden, warum die Leute ausgerechnet im Sommer in den Urlaub fuhren, aber andererseits hatte der Sommer auch immer so etwas Forderndes, im Sommer wurde Herr Lehmann immer von dem Gefühl bedrängt, er müßte aus dem schönen Wetter etwas machen, etwas mit Freunden unternehmen oder so, Grillen, Ausflüge machen, an Badeseen fahren … alles Aktivitäten, auf die Herr Lehmann keinen großen Wert legte, die auch bei seinen Freunden nicht hoch im Kurs standen, deren theoretische Möglichkeit ihm aber das Gefühl gab, etwas zu verpassen, geradezu zu verplempern. Den Rest des Jahres war es einfacher.
– Sven Regener: Herr Lehmann
Es sieht so aus, als ob der Sommer schon vorbei ist. Willkommen zurück in Norddeutschland.
Internetschnipsel, die mir trotzdem ein kleines Gefühl von Sommer geben:
Im Herbst habe ich meine Lieblings-Erasmus-Freundin in Marseille besucht. Es war ein kleines, magisches Wochenende & ich träumte plötzlich von einem Ferienhäuschen und davon, jeden Sommer wiederzukommen. Diese Bilder zeigen das, was wir uns bei strömendem Regen anschauten.
»Ei wei weiß« – Unser nicht-veganer Beitrag für das diesjährige durchgedreht24-Selbstfilmfest.
Goldenen Fleischwolf gewinnen: Check.
Lieblingsthema auf diesem Blog: Mein alljährlicher Rummel um das durchgedreht24-Selbstfilmfestival. Die Regeln sind einfach: 24 Stunden Zeit für fünf Minuten Film, kein Schnitt, kein Schlaf. Für mich jedes Mal wieder das beste Gefühl, total fertig mit Freunden im Screening zu sitzen und sich anzuschauen, was die anderen Teams produziert haben. Umso erschreckender also, dass ich – nachdem wir unser erstes Bühnenbild und unsere erste Idee im wahrsten Sinne des Wortes zersägt hatten – überhaupt keine Lust mehr auf das Wochenende in orange hatte. Nach 24 Stunden, tausend Diskussionen und viele zerbrochene Eier später, gaben wir »Ei wei weiß« ab und machten uns bei der Gala eigentlich keine besonders großen Hoffnungen. Bis wir dann das erste Bild sahen und der Kinosaal durch ein lautes Gekreische unsererseits beglückt wurde. Die Freude ist groß, aber die Freude ist noch viel größer, tolle Menschen um sich herumzuhaben, die so einen Quatsch durchziehen und die dich auch noch mögen, wenn sie dein übermüdetes Ich um fünf Uhr morgens kennengelernt haben.
Alle Beiträge sind mittlerweile auf dem durchgedreht24-YouTube-Kanal online, die beste Beschäftigung für einen verregneten Sommertag.
Irgendwann kommt der Punkt, an dem man alles, was man als Teenager misstrauisch beäugt hat, anfängt, gut zu finden: Pop und Pyrotechnik, Twitter und Deutsch-Rap. Ohne die Kraft von Bambule wäre ich in Valencia verzweifelt, ohne Chefkets Identitäter-EP hätte ich meinen Bachelor sicherlich nicht bestanden, Reime und Zeilen schleichen sich ein in Gedanken und Playlisten.
Können wir bitte über die letzten Monate sprechen? Die waren nämlich ein innerliches Fest, ein freudig-hibbeliges Warten von Release zu Release; spannender, als Weihnachten je wieder sein wird.
Fabian Römer feat. MoTrip: »Kalenderblätter« aus dem gleichnamigen Album
Fabian Römer, ehemals F.R., Braunschweiger, Geburtsjahr 1990, somit parallel wie ich in der gleichen Stadt aufgewachsen. Ein Hip-Hop-Wunderkind geschimpft, erstes Album 2004, im Zwei-Jahres-Takt immer neue Alben. 2011, dann: Stille. Vier Jahre lang Ruhe, kein Update. Ich hab’ still gehofft: Da kommt was Großes. Das Große kam, es heißt Kalenderblätter und ist sein bisheriges Meisterwerk, ein klangvolles Album, das seinen Hip-Hop-Hintergrund trotzdem nicht verneint. »Wenn wir nichts aus dem Staub machen können, schauen wir doch, dass wir etwas aus dem Staub machen können«: Eine musikalische Wiedergeburt nennt man das wohl. Römer macht sich weit auf, wagt den Sprung ins Private und nimmt Abstand zum jungen F.R., reflektiert in Songs wie »Dominoleben« das Auf und Ab der Generation Y. Und ein »Nur für uns«, das unbeschwert wie eine Ode an die Jugend daherkommt, wird in der letzten Minute entzaubert: Als Lehrstück über das Erwachsenwerden und Auseinanderleben.
Gold Roger: »MLXMLK« aus dem Mixtape? Album? Räuberleiter
Ein Künstler, der seinen Namen sicher nie in einem Atemzug mit Römer lesen möchte, aber weil mir das nunmal ziemlich schnuppe ist, bitteschön: Gold Roger hat Videobattleturniere wieder spannend gemacht. Der Dortmunder kam vor einem Jahr als Underdog mit seinem »Regenbogen-Zeckenrap« ins egobelastete Moment of Truth, überzeugte und steckte sich kurzerhand den Auftritt beim splash! ein. Nun ist Räuberleiter da, ein Release, bei dem Herr Goldstein kein Interview ungenutzt lässt, um zu betonen, dass es sich hierbei um kein Debütalbum, sondern um ein Mixtape/Straßenalbum/whatever handelt. Darauf präsentiert er einen Querschnitt aus seinem Leben, mit Tracks, die dringend eine Studio-Version verdient hatten und solchen, die es nun in der dritten Version gibt. Den roten Faden zwischen einzelnen Tracks fehlt bisweilen (deswegen vielleicht doch: kein Album), ist aber nicht schlimm, weil das Ganze leichtfüßig und gleichzeitig so clever daherkommt.
Chefket: »Rap & Soul« aus dem Album Nachtmensch
Als ich den Eintrag vorbereitete, kam neben dem nichtendenden Promo-Rummel um das MoTrip-Album die nächste Eilmeldung und brachte meinen Twitter-Feed zum explodieren: Lieblingsrapper Chefket releast ein neues Album. Es wird Nachtmensch heißen und erscheint im August. Dann bekommt mein Bachelor-Mantra »Jeder macht mal Fehler – außer mir. Ich sammle bloß Erfahrung« einen würdigen Nachfolger und ich kann mich hibbelig auf ein weiteres persönliches Fest in diesem Jahr freuen.
Mein Lieblingsband-Frontsänger Paul Smith aus Newcastle hat ein neues Solo-Album in der Tasche und jüngst ein Musikvideo veröffentlicht, das sich der Rotoskopie-Technik bedient, die auch schon in ähnlicher Form im Vorspann von Juno vom Studio Smith&Lee verwendet wurde und deswegen ja irgendwie so 2007 rüberkommt (ein schönes Making-Of ist übrigens auf deren Internetseite zu finden). Anyway, I love it!
Maxïmo Park (die Gruppe, mit der Smith überhaupt bekannt geworden ist) gehörte zu den Bands, die ich in meiner Teenagerzeit (wie so viele) gerne hörte (Stichwort: Klasse von 2005 – der Musikexpress nimmt sich in einem schönen Spezial in der aktuellen Ausgabe dieser Thematik an), ist aber eine der wenigen, die mich seit damals immer noch begleiten – wie ein konserviertes Stück Pubertät, das sich mit mir weiterentwickelt. Vielleicht wachsen sie mir auch deswegen so sehr ans Herz, weil die Kritiker die letzten Alben durchschnittlich, mitunter auch langweilig, nannten (das bestätigt die Bindung zu der Kunsthochschulabsolventen-Band eher, als sie zu lösen). Zudem gibt es an öden Tagen nichts Besseres, als Interviews mit Paul Smith anzuschauen – er ist witzig, charmant & eloquent, der perfekte Interviewpartner.
Kaum 27° und schon rastet mein Kopf aus und erinnert mich daran, dass ich weder meine Festivalsaison noch die wirkliche notwendige Heimfahrt nach Spanien geplant habe. Das Appletree Garden Festival ist für mich das schönste Festival (des Nordens? Deutschlands? der Welt?) – selbst in Momenten, in denen man gerade in den Schlamm gefallen ist oder aufgrund eines Gewitters vom Campingplatz runter und ab in die Scheune evakuiert wird. Ticketkauf hab ich in diesem Jahr aufgrund des Unwissens, in welchem europäischen Land man gerade sein wird, trotzdem verbummelt und werde mich darum in diesem Jahr auf die Suche nach einem aus zweiter Hand begeben.