Ich musste ja heimlich in mich hineingrinsen, als ich die Plakate einer Kinokette sah, auf denen ein Kinoabend nur für Männer angepriesen wurde. Das ist anscheinend die neue Gegenveranstaltung zur „Ladies Night“, bei der Männer zwar erlaubt, aber wenig erwünscht sind. Schubladendenken vom Feinsten: Liebesschnulzen für die Frauen, Ballerfilme für die Männer.
Ich habe ein einziges Mal an einer solchen Veranstaltung teilgenommen. Es handelte sich um die Premiere von Sofia Coppolas opulentem Werk „Marie Antoinette“. Ich war hoffnungslos in den Trailer verfallen und es stand fest, dass ich es nicht zulassen konnte, wenn jemand diesen Film vor mir sehen würde. Also kam ich um den gezwungenen Frauenabend im Kino wohl nicht herum- und kaufte Karten.
Ich ahnte nicht, in was ich mich dort begeben hatte- vor dem Kinosaal erwartete mich ein Glas Sekt und Essenstürme a la Marie – und eine Horde schnatternder Frauen. Erstmal in den Kinosessel gesunken, bemerkte ich zwei Sachen- erstens, dass sich mein Platz höchst ungünstig nah an der Leinwand befand, zweitens, dass sämtliche Wesen im Saal auch noch die ganze Vorschau durchquatschten. Den ganzen Film hindurch verfolgte Kichern und noch dazu war ich hochgradig enttäuscht von dem, was ich dort sah und verließ den Film, ohne auf das Ende des Abspanns zu warten.
„The Virgin Suicides“ hatte ich geliebt, „Lost in Translation“ nicht. Von „Marie Antoinette“ blieben nach dem Film nur unzählige Schuhe, Kuchen und schöne Kleider und ewig lange Sequenzen in Erinnerung. Vielleicht hatte ich mich auch einfach zu gut vorbereitet, zu viel erwartet: Von der Liebe zum Trailer angesteckt, sammelte jeden Zeitungsfetzen, der den Film behandelte, las im voraus alles, was ich über die historische Person der Marie Antoinette finden konnte. So auch Stefan Zweigs Biografie- die Coppola als „zu streng“ abstempelte. Dennoch ist es eine wunderbare Biografie, Zweig schafft es, historische Fakten und Hintergründe mit der Charakterstudie und Deutung der Marie Antoinette verzahnen zu lassen. In meinem Kopf hatte sich dabei ein ganz eigener Film entwickelt- und das war wohl auch das, was ich erwartet hatte. Historie gemischt mit Gefühlen.
Coppolas Sicht der Dinge sieht zunächst ganz anders aus: Das Rokoko wird mit dem Soundtrack der 80er unterlegt, die Kleider in Pastelltönen passen farblich zu Torten, Sekt und petit fours. Altem wird neuer Atem eingehaucht, die Dinge sehen nicht alt und verstaubt aus, sondern neu, glänzend und glamorös.
Auf das Volk und die Revolution wird dabei wenig Wert gelegt, man sieht also die Dinge nicht als Außenstehender, sondern durch Maries Augen- durch die Welt der Opernfahrten, Parties und Maskenbälle. Alles irgendwie ja sehr oberflächlich.
An einem Abend ging es mir so schlecht, dass ich gerade Kuchen, Schuhe und schöne Kleider brauchte, und da ich mir keine romantische Kömodie antun wollte, griff ich eben auf „Marie Antoinette“ zurück. Und musste feststellen: Es gibt Filme, die man eben zweimal schauen muss.
Der Film richtet sich nämlich trotz allem nach sehr biografischen Aspekten: Coppola benutzte die Biografie von Antonia Fraser (die es hierzulande nur des Filmes wegen in der abgespeckten Fassung gibt), die sich vor allem mit den Gefühlen der jungen Dauphine beschäftigt. Als 14-Jährige allein von Österreich nach Frankreich, von der Etikette in ein ein enges Korsett geschnürt, großem Erwartungsdruck ausgesetzt. Die einzige Flucht bot ihr der Konsum und die Vergnügungssucht, aber auch ihre späteren Unternehmungen in ihr „Petit Trianon“. Dort errichtete sie sich, ironischerweise, eine kleine, eigene Welt mit kleinen Bauernhäusern und Wiesen, die möglichst natürlich wirken sollten. Abgeschlossen von der Strenge des Hofes, an einem Ort, wo sie endlich sie selbst sein konnte. Wunderbar die filmische Darstellung der Bälle und Opernfahrten neben den ruhigen Momenten. Coppola sagte, sie wolle mit diesem Film ein „Portrait“, eine Charakterstudie der unglücklichen Königin abliefern.
Die Schwäche des Films liegt eindeutig darin, dass die großen Ereignisse im Leben der Königin nur durch Bilder und Symbole statt durch Taten ausgedrückt werden. Leider ist das zu wenig. Marie Antoinette ist eine Person, die man mit ihrer Zeit verknüpfen muss, und da muss man wohl oder übel auch mal über den königlichen Tortentellerrand schauen. Dass Coppola die Tage vor dem Tod der Königin einfach weglässt und mit dem Auszug aus Versailles endet, hat dem Film auch nicht umbedingt genützt. Denn gerade in dieser Phase, nachdem die Revolution an die königlichen Toren klopfte, wurde Marie Antoinette zu dem, wozu sie bestimmt war: Zur Königin.
Der Film erzählt die Geschichte eines Mädchens, das sich allein in einer Welt voller Zwänge befindet und mit denen umgehen muss, die Geburstagsparties mit wunderbaren Kleidern und viel Sekt feiert, aber nicht die historischen Ereignisse, die dazu führten, dass diese Frau erst Königin wurde, als sie ihrem Tod schon fast ins Auge sehen konnte.
Bilder: kirsten-dunst.org