Ich bin überzeugt davon, dass Keira Knightley ihre Filme nicht nach Drehbuch aussucht, sondern nach der Opulenz der Ausstattung und Qualität der Kostümbildner – vielleicht auch einfach nach der Anzahl der Wollpullover, die sie tragen darf. Wie sonst könnte man sich die Fülle der Historienfilme in ihrer Filmografie erklären?
Never let me go (deutscher Titel: Alles, was wir geben mussten) aus dem Jahre 2010 spielt in einer Parallelwelt, in der alle Menschen Wollpullover tragen. Eigentlich handelt er von drei jungen Menschen, die in einem von der Außenwelt abgeschotteten Internat aufwachsen und irgendwann feststellen müssen, dass sie Klone sind – gezüchtet, um nach dem Ende der Schulzeit als Organspender zu dienen. Aber weil das Ganze so noch nicht dramatisch genug ist, wird es mit einer Dreiecksbeziehung gewürzt.
Den ganzen Film hinüber hatte ich das Gefühl, dass dieser Film verzweifelt versucht, mich zum Heulen zu bringen. Hat er nicht geschafft. Das lag vor allem an der emotionalen Starrheit, die alle Schauspieler in diesem Film an den Tag legen. Dass ich trotzdem nicht aufhören konnte, mir das Ganze in voller Länge zu geben, lag vor allem an dem hervorragenden (und sehr wolligen) Kostümbild des Films. Da war die Handlung einfach irgendwann zweitrangig.
Allein in der einen Szene, in der das Internat Hailsham eingeführt wird, sehen wir, dass jeder, wirklich jeder Schüler an dieser Schule sich in graue Wolle kleidet. Jedes einzelne der geklonten Kinder trägt widersprüchlicherweise individuelle Bekleidung, verbunden nur durch die Einheitsfarben Blau und Grau: Es gibt blaue Hemden und Blusen, graue Wollpullover, Pullunder, selbst Strickjacken mit Bubikragen.
Verantwortlich für das Kostümbild waren Steven Noble und Rachael Fleming. Sie benutzten Kleidung aus zweiter Hand und ließen sich Uniformen von britischen Schulen schicken. Fleming sagt in einem Interview mehr über die Kleidung der Internatsschüler:
The children have no need to identify themselves or their school so the outfits are very plain and simple, with no emblems, stripes or badges of any kind. Any sense of style they have comes only from what tiny glimpses they’ve seen of the outside world.
Der gesamte Lehrkörper zieht mit und trägt Strickwaren in staubigen Erdtönen. Kostümbildner Noble nennt das „tweedy chic“ und sagt dazu:
We used 60s silhouettes but in tweeds which manages to look period without really being from a specific date and place.
Aus der Einheitssuppe der Lehrerinnen sticht Sally Hawkins’ Charakter heraus, die wohl die raffinierteste Jacke des ganzen Filmes mit Wabenmuster und asymmetrischen Rückenteil trägt. Zufall wird das wohl kaum sein, denn gerade diese Person wird die Schule wegen auffälligen Verhaltens sehr schnell wieder verlassen.
Die junge Kathy trägt einen meiner Favoriten aus dem Film: Einen handgestrickten Raglan-Cardigan mit Streifen, die man nur durch den Wechsel von linken und rechten Maschen erzeugt hat.
Zeitsprung: Kathy an ihrem letzten Schultag. Sie löst sich vom Grau der letzten Jahre und trägt zum ersten Mal Farbe (bevorzugt Naturtöne, die die Farbigkeit ihrer Umgebung widerspiegeln). Kathys Stil bleibt zeitlos und sie setzt auch weiterhin auf Strickjacken, dieses Kleidungsstück hat sich in ihrem Schulleben schließlich bewährt.
Der Kleiderschrank von Ruth, Kathys bester Freundin und/oder bester Rivalin, sieht anders aus. Bei ihr lassen sich Fair-Isle Muster und Farbverläufe finden, und sogar eine Jacke mit Puffärmeln.
Wie man sieht, zeichnet sich beider Zankapfel Tommy nicht nur durch eine Fülle leidender Gesichtsausdrücke aus, sondern auch durch die Vielseitigkeit seiner Oberteile: Zopfmuster, Burlington-Muster, grober Wollstrick.
Dritter Abschnitt des Filmes: Je ernster der Film wird, je älter die Protagonisten werden, desto weniger Wollstrick tragen sie. Kathy bleibt ihrer Strickjacke treu, jedoch werden die Materialien leichter, die Farben pastelliger – diese passen sich der Krankenhausatmosphäre an, in der sie sich befindet.
Caps von hier / Film: Eigentum von Fox Searchlights Pictures. Wer noch mehr nicht genug Kostüme gesehen hat, klicke bitte hier.
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