Die Samstage meiner Kindheit verliefen immer nach dem gleichen Muster: Am Vormittag spazierte ich in die Bücherei, lieh dort so viele Bücher aus, wie ich nach Hause schleppen konnte, um sie dann, eins nach dem anderen, an- oder durchzulesen. Mein erstes Praktikum absolvierte ich im Buchhandel, meine erste Internetseite bastelte ich nur, um dort kurze Kinderbuch-Rezensionen veröffentlichen zu können.
Je älter ich wurde, desto weniger Zeit nahm mein erstes liebstes Hobby in meinem Leben ein. Bücher-Samstage wurden von Film- oder Internettagen abgelöst, Lesen wurde immer mehr zur Pflicht. Gerade im Studium hatte ich das Gefühl, dass Lesen mehr etwas war, was man tat, um klüger zu werden (oder zumindest so zu wirken). Der Sprung von leicht verdaulicher young adult literature zur „erwachsenen“ Belletristik fiel mir schwer. Ich versuchte, durch das stoische Durcharbeiten von langen Leselisten meine alte Leidenschaft wiederzufinden und quälte mich dadurch durch Bücher, die eigentlich mir nicht zusagten.
Die Mitbewohnerin (Germanistik-Studentin und beste Küchenpsychologin überhaupt) hörte sich dieses Gejammer ein paar Jahre an und schenkte mir dann eine Romantherapie, um mir zu helfen. Liebe alte Mitbewohnerin, die Patientin ist geheilt und verkündet: In diesem Lesejahr habe ich fünfzehn Bücher gelesen – und es hat mir sogar Spaß gemacht. Yes!
Dinge übers Lesen, die ich in diesem Jahr lernen musste (aber eigentlich schon immer gewusst habe):
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1. Es ist gut, auf sein eigenes Gefühl zu hören. Nur weil ein Buch auf einer Must-Read-Liste steht oder von einem Nobelpreisträger geschrieben wurde, heißt das nicht automatisch, dass es einem selbst auch gefallen muss. Das merkt man meistens auch schon so nach den ersten 50 Seiten.
2. Es lohnt sich nicht, so ein Buch trotzdem durchzulesen. Echt nicht.
3. Zeit zum Lesen muss man sich – Überraschung! – einräumen. Bei mir ist das meistens die Zeit vorm Schlafengehen, weil es mir hilft, abends abzuschalten.
Das erste Buch, welches mir in diesem Jahr die Freude am Lesen zurückgab, war Die Essenvernichter, ein Sachbuch (also noch was gelernt: Es muss nicht immer ein Roman sein). Und dann las ich plötzlich im Park, am Strand, morgens in der Küche, auf dem Land, auf Bahnhöfen, in Zügen, in Warteschlangen. Die Bücher meines großen Lesejahres waren größtenteils Bestseller, zu denen schon sehr viel geschrieben wurde – deswegen verzichte ich hier auf noch ein Statement. Interessante Gedanken gibt es zum Beispiel hier oder hier. (Außerdem erinnere ich gerne an Punkt 1: Traue nie einer Leseliste!)
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– Stefan Kreutzberger & Valentin Thurn: Die Essensvernichter
– Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß
– Sven Regener: Herr Lehmann
– Siri Hustvedt: Was ich liebte
– Donna Tartt: The Secret History
Eva 8. Januar 2016
Ohhh, jetzt möchte ich aber unbedingt wissen, was du zu Donna Tartt sagst – das war nämlich auch mein letztes Buch 2015! Ich weiß gar nicht mehr, wo ich schon vor zwei, drei Jahren darüber gestolpert war, aber der Kult um diese Geschichte hat sie mich auf die Leseliste setzen lassen.
Die sind ja im Übrigen, finde ich, weniger als Pflicht zu verstehen als als Backup, wenn man sich einmal uninspiriert im Buchladen oder Online-Shop seiner Wahl wiederfindet… Ich bin sicher, deine Liste ist schon lang genug, aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass nicht, empfehle ich dringend, Tilmann Rammstedts „Wir bleiben in der Nähe“ hinzuzufügen. Das war mein Lieblingsbuch im letzten Jahr.
Herzliche Grüße und ein frohes (und literarisches) neues Jahr!
Nina 12. Januar 2016
Liebe Eva,
ein großes Lesevergnügen war das, ich habe dieses dicke schwarze Buch überall mit hingeschleppt. Ich mochte das Setting, die Figuren, das Dunkle. Nachdem ich es durchgelesen hatte, setzte es sich auch noch in meinem Kopf fest – ich war gerade in meinem neuen Studiengang und Freundeskreisen angekommen und habe dann überall um mich herum geheime Verschwörungen vermutet. Das Gefühl ist glücklicherweise nun weg, das Buch finde ich immer noch großartig.
Listen sind eine Sache, gute Empfehlungen eine andere! Ich bedanke mich deswegen herzlich (werde den Tipp gleich nachschauen) und wünsche ebenfalls ein schönes (lesereiches?) neues Jahr! Ich bin sehr gespannt auf deine neuen Stadt-Geschichten.
susanne 12. Oktober 2016
Und ich dachte immer, nur mir ginge es so und hab gedacht, das sei ein zeichen, dass ich eben doch nicht sone richtige Intellektuelle bin… Schön zu lesen, dass es dir auch so ging. Sehr schöne Texte übrigens!